Sind Sie Juwelier, Goldschmied oder Uhrmacher, dann schauen Sie sich das Fach-Forum Schmuck und Uhren an.
Es ist ein unabhängiges Forum, ein Erfahrungsaustausch speziell für Einzelhändler und Handwerker dieser Branche. Hier werden branchenspezifische Probleme diskutiert, gegenseitig mit Rat und Tag geholfen bei der Ersatzteilbeschaffung und gelegentlich auch mit Waren.
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Vor einigen Tagen kam ein interessantes Uhrwerk in die Werkstatt. Ich nutze die Gelegenheit den besonderen Mechanismus dieser Uhr zu beschreiben. Das Favre Leuba Kaliber 253 ist mit 2 Federhäusern ausgestattet. Welchen Vorteil dieser zusätzliche Aufwand bringt und wie die Vorrichtung funktioniert soll im folgenden Beitrag erklärt werden!
Im Bild sehen Sie den Verlauf einer Federkraftkurve einer „normalen“ Feder. Ganz am Anfang steigt die Federkraft recht steil an und wird dann relativ konstant größer. Kurz bevor die Feder ganz gespannt ist, steigt die Kurve noch einmal steil an. Dieses „natürliche“ Verhalten einer Zugfeder behindert den präzisen Gang einer Uhr.
Es ist sicher einleuchtend, dass eine Unruh, angetrieben von einer nur leicht aufgezogenen Feder viel geringer ausschwingt, als wenn sie mit aufgezogener Feder angetrieben wird! Interessant dabei ist, dass – rein theoretisch – eine Unruhe mit geringer Schwingungsweite genau so lange für eine Schwingung braucht, wie bei einer großen Schwingungsweite. Ähnlich ist es übrigens auch beim Pendel. Die Pendellinse eines nur leicht angestoßenen Pendels braucht – theoretisch – genau so lange bis sie wieder zum Ausgangspunkt zurückkehrt, als wenn diese stark angestoßen wird. Diese Eigenschaft eines schwingenden Körpers nennt man Ischochronismus! Ein wichtiges Wort in der Ausbildung eines Uhrmachers: Isochronismus = gleiche Schwingungsdauer bei unterschiedlicher Amplitude (Schwingungsweite).
Leider entspricht die Theorie wieder einmal nicht der Praxis. Äußere Einflüsse wie Reibung und Luftwiderstand, aber auch der Impuls der Hemmung tragen dazu bei, dass ein Isochronismusfehler entsteht. In der Regel schwingt eine Unruhe mit zunehmender Schwingungsweite schneller. Dieser Effekt ist logischerweise nicht willkommen.
Das ganze Streben der Uhrmacherkunst zielt in erster Linie darauf ab, den Isochronismusfehler zu beseitigen. Dafür gibt es die verschiedensten Ansätze.
Eine relativ einfache und logische Lösung ist die Maltesterkreuz-Stellung, die einfach die steilen Teile der Federkraft-Kurve „wegschneidet“ .
Eine weitere Erkenntnis ist, dass der Isochronismusfehler natürlich nicht so sehr in Erscheinung tritt, wenn die Feder selbst eine konstantere Kraft liefert. Ein großer Fortschritt war eine hightec Legierung für die Zugfeder. Diese Legierung (Nivaflex) ist nahezu ermüdungsfrei und ermöglicht eine besondere Form der Feder, die sogenannte S-Form welche die Feder einnimmt, wenn sie aus dem Federhaus genommen wird. Diese S-Form ist nur mit der hochelastischen Legierung Nivaflex zu realisieren, da die äußeren Umgänge der Feder hier entgegen ihrer Lage im Federhaus “ vorgespannt“ sind. Nivaflex Zugfedern zeigen im Test einen flacheren Verlauf der Federkraft-Kurve.
Wenn eine Zugfeder dünner ist, steigt die Federkraftkurve auch langsamer an. Nun liegt es natürlich auf der Hand, dass eine Feder nicht einfach dünner gemacht werden kann, da ja auch damit ihre Kraft und ihr Energiespeichervermögen nachlässt.
Die Lösung hier: Es werden 2 Federhäuser verwendet die “ parallel“ geschaltet werden.
Der Aufwand hierfür ist nicht gering. Ein weiteres Federhaus und einige Rädchen und Triebe sind nötig, damit das ganze funktioniert. Aber der Aufwand lohnt.
Im Bild oben sehen Sie die schematische Darstellung des Mechanismus. Die Aufzugräder von der Krone bis zum Federkern im Blau- und Grauton. Dann die Federhäuser (Gelb) die die Kraft mittels eines Übertragungsrades an das Minutenrad weitergeben. Das Minutenrad dreht sich gegen den Uhrzeigersinn, weil das Schema von der Rückansicht aus dargestellt wurde.
Als das Uhrwerk wieder zusammengebaut war testete ich sofort das Gangergebnis. Die Zeitwaage zeigt bei Vollaufzug einen Vorgang von 5 Sekunden an, am nächsten Tag nach 24 Std. Gangzeit einen Gang von +4 Sekunden, der Unterschied ist also nur 1 Sekunde. Die Gangreserve betrug 40 Stunden, das heißt die Uhr läuft mit einmal aufziehen fast 2 Tage. Auch die Gangdifferenzen in den verschiedenen Lagen waren minimal, so dass abschließend von einem hervorragendem Gangergebnis gesprochen werden kann.
Hier noch ein paar Daten für technisch Interessierte:
Kaliber: Favre Leuba 253
Werkgröße 11,5´´´ (Linien)
Zentralsekunde
Federstärke 0,05 mm (normal sind 0,10 -0,12 mm)
Gangreserve 40 Std.
Federhausumdrehungen 9 1/4
Sie haben mir Ihre Uhr zur Reparatur übergeben, ich danke Ihnen für Ihr Vertrauen. Ich weiß, Sie vermissen Ihren gewohnten Zeitmesser jetzt sehr. Bitte lassen Sie mir aber etwas Zeit für die Reparatur Ihrer Uhr, damit die Arbeit sorgfältig und mit den erforderlichen Funktionskontrollen durchgeführt werden kann. Nur dann kann ich für die Arbeiten in meiner modern eingerichteten Werkstatt die volle Reparatur-Garantie übernehmen. Für die Übergangszeit werden Sie sicher noch eine Zweituhr besitzen.
Warum blieb Ihre Uhr eigentlich stehen?
Nun, es können viele Gründe hierfür vorliegen, denn eine Uhr ist eine komplizierte und empfindliche Maschine. Sie besteht aus ca. 100-200 Einzelteilen, je nachdem, ob es sich um eine Quarzuhr, um eine Automatik oder um einen Chronographen handelt. Sie läuft ununterbrochen, Tag und Nacht, ohne Pause und ohne Wartung, in jeder Lage und immer im gleichen Rhythmus. Weder Bewegungen und Stöße noch Temperaturveränderungen können ihren gleichmäßigen Lauf nennenswert beeinflussen.
Wie bei jeder Maschine, so unterliegen auch die beweglichen Teile der Uhr einer Abnutzung. Das hat natürlich Einfluß auf den Gang der Uhr (besonders bei mechanischen Uhren ohne Batterie). Darüber hinaus spielt die Qualität des Uhrenöles eine entscheidende Rolle. Das Öl vermindert die Reibung der gleitenden Teile. Auch hochwertige Spezialöle verbrauchen sich dabei im Laufe der Zeit und „verharzen“, wie man sagt. Das gealterte Öl muß deshalb genau wie beim Auto gelegentlich ausgewechselt werden, denn sonst ist die Bremswirkung des verharzten Öles eines Tages größer als die Kraft der Triebfeder oder Batterie, und die Uhr bleibt stehen.
Im allgemeinen sollte eine General-Überholung in Abständen von ca. 2 Jahren vorgenommen werden, auch wenn die Uhr noch geht.
Die Krone zum Aufziehen der Triebfeder oder Zeigerstellen, das Uhrglas und die Federstege als Halter des Uhrbandes am Gehäuse unterliegen dem Verschleiß. Bei der Generalinspektion sollten auch diese Teile geprüft und evtl. ersetzt werden.
Sie werden mehr Freude an Ihrer Uhr haben,
wenn Sie sie sorgfältig und der Qualität entsprechend behandeln. Ziehen Sie bitte Ihre Uhr regelmäßig auf, am besten morgens. Mit einer „Automatik“ oder „Quarz“ ersparen Sie sich natürlich diese Arbeit.
Die „Automatik“ ist eine Uhr mit technischem Know how
Sie zieht sich automatisch auf und geht infolge der gleichmäßigen Antriebskraft genauer als eine normale Uhr. Jede, auch kleinste Bewegung wird zur Spannung der Triebfeder ausgenutzt, und zwar solange, bis eine genügende Gangreserve gespeichert ist. Sie können also am Abend Ihre Automatik beruhigt ablegen, sie hat genügend Kraft gespeichert, um bis zum nächsten Tag zu laufen.
Die „Quarz“ läuft mit Ihrer Batterie mindestens 1 Jahr
bei fast gleichbleibender hoher Ganggenauigkeit. Die Lebenszeit einer Uhrenbatterie hängt von Ihrer Kapazität (Speichervermögen für elektr. Energie) und vom Stromverbrauch des Uhrwerkes ab. Wir verwenden natürlich nur Batterien mit der höchsten Speicherdichte und der größten Sicherheit gegen ein Leckwerden. Außerdem hält Ihre Batterie länger, wenn Sie die Uhr vor großer Hitze (Sonneneinstrahlung) und, bei nicht wasserdichten Gehäusen, die Uhr vor Wasser schützen. Bei Uhren mit Zusatzfunktionen (Licht Alarm) sollten Sie diese Funktionen nur benutzen, wenn Sie sie wirklich brauchen. Das Lämpchen in Ihrer Uhr zum Beispiel braucht 1000 mal mehr Strom als das Uhrwerk.
Noch ein Wort zum Thema „Sekundengenau“
Bei mechanischen Uhren:
Wenn Sie meine Leistungen beurteilen, dann denken Sie bitte daran, daß der Umgang mit den lupenkleinen Teilen einer Uhr eine komplizierte Sache ist. Das Regulieren der Uhr erfolgt nicht allein durch Verschieben des Rückerzeigers, vielmehr besteht die Kunst des Regulierens darin, die Anzahl der Unruhschwingungen trotz vieler störender Einflüsse konstant zu halten. Es sind die ständigen Lagenveränderungen, Bewegungen und Stöße, Temperaturveränderungen, die Kraftminderung, magnetische und andere Einflüsse, die das Regulieren erschweren.
Meine handwerkliche Kunst wird Ihrer fertig montierten Uhr die optimale Reglage geben, doch muß ich Sie darauf hinweisen, daß eine „Sekunden-Reglage“ nur bei sehr guten Präzisionsuhren und Chronometern möglich ist. Normale Gebrauchsuhren müssen sich, je nach ihrer Qualität, mit Minutentoleranzen begnügen.
Mehr Ganggenauigkeit bringt natürlich eine Quarzuhr, bei der die Gangdifferenz je nach Qualität bei wenigen Sekunden im Monat liegt.
Absolute Genauigkeit bieten heute sogenannte Funkuhren, welche die Zeit über einen kleinen eingebauten Empfänger von der Atomuhr in Braunschweig empfangen.
Das sollten Sie von den Leistungen Ihrer mechanischen Uhr wissen!
Die Unruh macht 691.200 Halbschwingungen pro Tag. Das sind 252 Millionen und 288.000 Halbschwingungen im Jahr. Die Unruh dreht sich genau so schnell wie das Antriebsrad einer mit 140 Stundenkilometern fahrenden Schnellzuglokomotive.
Würde man den Unruhreifen anstatt in schwingende in rotierende Bewegung versetzen, so würde er in 1 Jahr einen Weg von 4.000 km zurücklegen. An der Unruhwelle befinden sich am unteren und oberen Ende dünne Zapfen, die bei Armbanduhren oft nur 7-hundertstel Millimeter stark sind, also dünner als ein Frauenhaar. Die Lagersteine für die Radzapfen aus synthetischen roten Rubinen, die in einem komplizierten Schmelz- und Bearbeitungsverfahren hergestellt werden und härter sind als Natur-Rubine. Diese Uhrsteine sind bei Stoß und Schlag bruchgefährdet. Als kleinste Maschine der Welt besitzt die Uhr eine Kraft, die etwa 1/1000 Millionstel Pferdestärke entspricht. Je nach Beruf des Uhrenträgers ist eine Armbanduhr täglich 7.000 bis 41.000 Erschütterungen ausgesetzt.
Zur Anfertigung einer Uhr sind über 1.500 einzelne Arbeitsgänge notwendig. Manche Uhrschrauben sind so klein, daß 50.000 Stück davon in einen Fingerhut passen.
Ich habe wieder ein Thema gefunden, das den Uhrenfreund sicher interessieren wird.
Vor kurzem kam ein Standuhr-Werk in unsere Werkstatt welches eigentlich in einem recht guten Zustand war. Sicher, das Öl war total verharzt, aber die Lager, Zapfen und Räder waren alle in Ordnung. Alle, bis auf die Zahnkränze der Kettenräder.
Das Uhrwerk wurde scheinbar in einer „schlechten Zeit“, also in einer Kriegszeit gefertigt. In diesen Zeiten war Kupfer und Zink für die Messing-Legierung immer sehr teuer, weil daran Mangel herrschte (für das Kriegs-Gerät wurde viel Messing benötigt).
Also versuchte man das teure Messing einzusparen, wo es nur ging. Die Platinen wurden aus Eisen gefertigt, wenn man es trotzdem gut mit dem Uhrwerk meinte, wurden wenigstens Messing-Lager in die Platinen gepresst, so auch in dieser Uhr. Oft wurden dann auch für die Räder minderwertige Legierungen verwendet, welche sich in Jahrzehnten so stark abnützen, dass sie ersetzt werden müssen.
Gott sei Dank wurden bei diesem Uhrwerk nur die 2 Kettenräder mit dieser minderwertigen Legierung gefertigt.
Da der Kunde mit dem Kostenvoranschlag einverstanden war, machten wir uns an die Arbeit. Die Zähnezahl wurde abgezählt, der Außendurchmesser ermittelt und der Modul für den Fräser ausgerechnet.
Die Zahnräder wurden auf einer 2 mm dicken Messingplatte samt ihren Schenkeln aufgezeichnet (angerissen) und mit der Laubsäge etwas größer ausgeschnitten.
Der Rohling wurde in der Mitte gebohrt, in die Drehmaschine eingespannt und abgedreht, 2/10mm größer als der endgültige Außendurchmesser. Dadurch habe ich eine bessere Kontrolle, dass das Zahnrad nicht zu klein wird und jede Zahnspitze schön ausgeformt wird.
Mehr über die Zahnform und die Zykloiden-Verzahnung erfahren Sie übrigens hier (mit einer hilfreichen Flash Animation)
Jetzt wird es ernst. Um die Zähne fräsen zu können, brauchen wir eine sogenannte Teilerscheibe und einen Höhensupport. Natürlich gibt es auch spezielle Räderschneidmaschinen, aber wir haben unsere Drehmaschine dementsprechend umgebaut und ergänzt. Mit der folgenden Methode haben wir auch alle unsere Räder und Triebe gefräst, die wir für den Bau unseres ewigen Kalenders gebraucht haben.
Im Bild oben sehen Sie im Hintergrund die Teilerscheibe, auf deren Fläche die Zahnzahlen vieler Räder mittels kleiner Bohrungen „programmiert“ sind. Die Teilerscheibe sitzt am hinteren Ende der Spindel und ist über die Spindelwelle fest mit dem zukünftigen Radkranz verbunden. Ein kleiner Hebel greift in die entsprechende Lochreihe ein, welche der Zahnzahl des zukünftigen Rades entspricht. So kann der Zahnrad-Rohling Schritt für Schritt, genauer gesagt Zahn für Zahn, weitergedreht werden nachdem der Fräser über das Rad gegangen ist. Im Bild oben erkennt man schon die Zahnlücken. Die Köpfe der Zähne werden erst geformt, wenn der Fräser tiefer in das Rad eintaucht.
Mit dem Längsschlitten wird der Fräser von links nach rechts und wieder zurück bewegt. In unserem Fall 110 Mal, weil das Kettenrad 110 Zähne bekam. Ist der Umfang 1 mal abgearbeitet, wird der Fräser mit dem Querschlitten tiefer gestellt und das Spiel beginnt von vorne. Wenn der Kopf des Zahnes spitz wird, die beiden Kurven der Zykloide aufeinandertreffen ist das Rad fast vollendet. Da wir jedoch den Roh-Durchmesser etwas größer gewählt haben, als den fertigen Außen-Durchmesser muss noch mindestens 1 Durchgang gefräst werden, bis der endgültige Kopfkreisdurchmesser erreicht ist.
Die Räder werden geschenkelt. (Der Uhrmacher nennt die Radspeichen Schenkel). Das mittlere Loch muss noch mit Sorgfalt aufgedreht werden, damit es ja nicht außer der Mitte gerät und das Zahnrad am Ende unrund läuft. Im folgenden Bild liegt der fertige Radkranz auf dem Werktisch. Er muss nur noch mit Sperrfeder und Sperrkegel versehen werden und mit den anderen Teilen zum fertigen Kettenrad zusammengebaut werden.
Ok, das Zahnrad ist fast fertig. Es muss noch als komplette Funktionseinheit mit Welle, Sperrad und Rad für die Kette zusammengefügt werden. Übrigens wir mussten 2 Stück davon anfertigen, da ja sowohl das Kettenrad für das Schlagwerk, als auch für das Gehwerk verschlissen waren.
Eine letzte Prüfung, ob unsere Berechnungen gestimmt haben erfolgt im Eingriffszirkel. Das Kettenrad und das damit in Eingriff stehende Zwischenrad werden in den (selbstgebauten) Eingriffszirkel eingespannt und der Achsabstand mit der Schraube (unten in der Mitte) so lange verändert, bis die Kraftübertragung einwandfrei und ohne Stoß oder Fall stattfindet. An den Spitzen des Eingriffzirkels kann man jetzt den optimalen Achsabstand abmessen oder abtasten.
Da der ermittelte optimale Achsenabstand mit dem tatsächlichen übereinstimmt, haben wir gut gearbeitet (und gerechnet) und sparen uns die Mühe einer Umarbeitung oder Neuanfertigung.
Zum Abschluss noch ein Bild des fertigen Uhrwerkes. Die angefertigten Räder sind eingebaut. Der Pfeil zeigt auf eines der neuen Kettenräder. Das Uhrwerk wurde natürlich auch vollständig gereinigt und überholt. Jetzt kann diese Standuhr den Besitzer wieder über Jahrzehnte mit ihrem Gang und ihrem Klang erfreuen.
Warum lässt sich bei einer Uhrenbatterie so schwer feststellen, wie lange diese noch hält?
Das liegt daran, dass Uhrenbatterien (Silberoxid Zellen) einen ganz anderen chemischen Aufbau haben, als Taschenlampenbatterien (Alkali-Mangan Zellen). Wenn eine Batterie Strom liefert, verändert sich ihr Innenleben. Chemische Vorgänge finden statt und „Abfallstoffe“ entstehen! Bei einer Alkali Zelle behindern diese Abfallstoffe den Stromfluss in der Batterie, ihr Innenwiderstand steigt, die Klemmenspannung – also die Spannung an den Anschlusspolen der Batterie – fällt deshalb stark wenn der Batterie Strom entnommen wird.
Etwas fachmännischer ausgedrückt: Bei Belastung fällt die Anschlussspannung einer Alkali-Mangan Zelle (oder auch einer Braunstein Zelle) entsprechend ihres Alters stark ab. Auf der kleinen Grafik im Titelbild sehen Sie die Entladekurve (grün) einer Alkali-Zelle und einer Silberoxid-Zelle (Uhrenbatterie).
Diesen Effekt haben Uhrenzellen Gott sei Dank nicht. Die Abbauprodukte einer Silberoxid-Zelle leiten den Strom gut, und so hält sich die Spannung einer Uhrenzelle während der ganzen Lebensdauer nahezu konstant, bricht dann aber innerhalb weniger Tage zusammen. Ich vergleiche das immer mit einem Auto, das auch mit konstanter Kraft fährt, solange etwas im Tank ist. Leider gibt es allerdings für Uhrenzellen keine zuverlässige Tankuhr! Es gibt kein brauchbares Verfahren den Entladezustand oder die Restlaufzeit Ihrer Uhrenzelle zu testen, außer diese liegt schon in den letzten Zügen!
Also, wenn die Batterie-Wechselanzeige Ihrer Uhr „Alarm“ gibt, haben Sie nicht mehr lange Zeit bis die Uhr ganz stehen bleibt!
Immer wieder sprechen mich Kunden an: „Bitte bauen Sie mir eine gute Batterie ein, möglichst eine 10 Jahres Batterie“. Dabei gibt es keine 10 Jahres Batterie. Der Irrtum kommt von den Werbestrategen der Industrie, die auf manche Uhren ein Label „10 Jahres Batterie“ kleben, was meint: Diese Uhr hat einen so geringen Stromverbrauch, dass sie mit einer guten Markenbatterie 10 Jahre laufen kann.
Meist sind in diese Uhren Lithium Zellen eingebaut, die sich durch eine hohe Kapazität (Energiespeichervermögen) und eine äußerst geringe Selbstentladung auszeichnen. Nun kann aber in eine Uhr mit einer Silberoxid Batterie, keine Lithium Batterie eingebaut werden, da sich diese in der Größe, Form und Spannung total unterscheiden.
Wir setzen die besten Markenbatterien des jeweiligen Typs ein. Das gibt dem Kunden größtmögliche Sicherheit vor dem gefürchteten „Auslaufen“ einer Batterie und eine möglichst lange Gangautonomie seines Zeitmessers, was letztendlich vom Stromverbrauch der Elektronik abhängt.
Weiter kann die Batterie geschont werden, wenn die Uhr (Batterie) nicht großer Hitze ausgesetzt wird. Bei einigen Werken (vor allem bei Herrenuhren) wird der Stromverbrauch gesenkt, wenn Sie die Krone herausziehen. Dadurch wird der Antrieb ausgeschaltet, das Uhrwerk bleibt stehen. Die Schwingung des Quarzes wird aufrechterhalten, da er bei längerem Stillstand seine Frequenz ändert, was natürlich Auswirkung auf die Ganggenauigkeit hat.
Das alte Problem, ein Uhrwerk und das Wasser sind Todfeinde.
Manche Kunden wundern sich, wenn ich sie nach einem Batteriewechsel darauf hinweise, dass die Dichtungen die Uhr nicht mehr 100% schützen und die Uhr deshalb nicht mehr im Wasser getragen werden darf, solange die Dichtungen nicht erneuert sind.
Wenn die Uhr vor dem Batteriewechsel dicht ist, sollte das nachher doch auch möglich sein, noch dazu wenn ein Fachmann das Gehäuse öffnet und schließt.
Dieses Problem tritt häufig bei Uhren auf, die gerade mal so wasserdicht sind, also mit 3 bar oder 5 bar (20m bis 50m) gekennzeichnet sind! Klar, die neue Uhr ist meist dicht, weil die Dichtungen noch nicht gealtert und elastisch sind.
Durch längeres Tragen dringt Schweiß (Säure), Kosmetika, Staub, Schmutz usw. bis zum Dichtungsring vor. (Siehe Abb. oben „Schmutz“) Diese Chemikalien machen den Gummi des Dichtungsringes spröde, manchmal greifen sie auch das Uhrgehäuse an!
Deswegen wird aber Ihre Uhr nicht gleich undicht. Im günstigen Falle wirkt der Schmutz wie ein Schutzschild, wie eine Versiegelung des Gehäuses! Nun ahnen Sie es vielleicht schon? Durch das Öffnen des Gehäusebodens wird diese Versiegelung natürlich aufgebrochen. Der strapazierte Dichtungsring muss alleine das Uhrwerk vor dem Wasser schützen.
Normalerweise werden defekte Dichtungsringe natürlich sofort ausgewechselt. Aber manche Uhr hat spezielle Form-Dichtungsringe, die extra bestellt werden müssen. Manchmal aber ist das Gehäuse auch dermaßen angegriffen, dass der Dichtungsring alleine auch nichts nützt.
Hier bleibt dann nur der Rat für den Kunden: „Vorsicht mit Wasser“!
hier folgt ein Bericht über einen ganz normalen Batteriewechsel. Ich will aufzeigen, was ein guter Fachmann bei einem Batteriewechsel alles beachtet und wie viele Arbeitsgänge dazu nötig sind!
Beginnen wir mit dem ersten Teil:
Eine Casio landet auf meinem Werktisch, um die Batterie zu wechseln. Ein erster Blick auf das Display zeigt mir, dass die LCD Anzeige „erloschen“ ist. Weiter prüfe ich die Uhr äußerlich, ob das Glas oder Gehäuse beschädigt ist, oder ob sich unter dem Uhrglas Wasserspuren zeigen.
Bei Verdacht prüfe ich bereits vor dem Öffnen der Uhr diese auf Wasserdichtheit. Diese Beobachtungen sind vorteilhaft, wenn sich später herausstellt, dass die Uhr nicht wegen einer leeren Batterie stehen geblieben ist!
Bei Analoguhren prüfe ich zusätzlich an der ungeöffneten Uhr den Ausgangsimpuls. Dieses geschieht mit Hilfe einer Induktionsspule, welche das magnetische Feld des Antriebsorgans registriert. Wird dieses magnetische Feld nicht registriert, ist dies ein Zeichen, dass die Spule des Motors (Antriebsorgan) nicht arbeitet. Wenn sich später herausstellt, dass die Batterie nicht leer war, das Uhrwerk aber durch die Erschütterungen beim Öffnen wieder “ angesprungen“ ist, kann sofort gesagt werden ob der Fehler in der Elektronik oder in der Mechanik der Uhr lag.
Wie Sie sehen gibt es schon eine Menge Punkte zu beachten, bevor die Uhr überhaupt geöffnet wurde.
Eine Casio „G Shock“ macht es einem nicht ganz leicht zum Uhrwerk vorzudringen. Zuerst muss das ganze Uhrband abmontiert werden, damit der Gehäuseboden frei liegt. Anschließend wird das Gehäuse – wenn nötig – auf der Unterseite mit einer kräftigen Bürste gereinigt, damit kein Schmutz in das Uhrwerk fallen kann.
Diese Vorsichtsmaßnahme ist vor allem bei Analoguhren nötig, da die kleinen Rädchen durch die kleinsten Fremdkörper blockiert werden können!
So, nun geht es ans „Eingemachte“! Nach dem Öffnen der 4 Gehäuseschrauben kann ich bis zur Batterie vorstoßen. Vorher bürste ich noch den Gehäuseboden auf der Innenseite, da sich auch hier am Rand Staub und Schweiß abgelagert hat (vor dem Dichtungsring).
Nun entnehme ich die Batterie und prüfe zuerst, ob diese überhaupt leer ist. Ein zweiter Blick auf die Batterie sagt mir meist, wie lange die Uhrenbatterie ihren Dienst versah. Wie das möglich ist? Ganz einfach, wenn eine Batterie von uns ersetzt wird, gravieren wir in diese das Datum. Wenn nötig, werden jetzt von mir auch die Batteriekontakte gesäubert, bevor die „Neue“ eingesetzt wird!
Natürlich gibt es unterschiedliche Batteriemarken, aber ehrlich gesagt habe ich keine Qualitätsunterschiede der “ großen“ Batteriehersteller (Ucar, Varta, Maxcell, Renata) feststellen können.
Allerdings gibt es Unterschiede im Typ. Sogenannte „high drain“ (HD) Batterien können kurzzeitig höhere Stromstärken liefern und sind deshalb für Uhren mit Weckfunktion und Beleuchtung besser geeignet. Andere Batterien würden unter dieser Belastung zusammenbrechen. (Manche Beleuchtung saugt der Batterie 1000 mal mehr Strom aus der Zelle, als das Uhrwerk). Der Nachteil dieses Batterietyps ist eine etwas größere Selbstentladung und damit geringere Lebensdauer. Weiter neigt sie auch leichter zum Austreten der Batterieflüssigkeit, weil der Elektrolyt nicht so stark eingedickt ist.
Der Gegenpol zur HD Batterie ist die LD (low drain) Batterie mit geringer Selbstentladung, geeignet für Analoguhren, auch Chronographen und LCD Uhren ohne Zusatzfunktion.
Mittlerweile gibt es von Ucar auch universelle Batterien, welche sich für beide Verwendungsarten eignet.
Diese vorher besprochenen Batterietypen arbeiten auf Basis von Silberoxid und sind nicht mehr so giftig wie die früher verwendeten Quecksilberoxid Batterien. Selbstverständlich werden alle Altbatterien vorschriftsmäßig entsorgt!
In dieser Casio ist allerdings keine der genannten Batterietypen. In dieses Modul gehört eine sogenannte Lithiumzelle. Lithiumzellen haben ganz andere Maße (10 bis 30mm Durchmesser) eine hohe Energiedichte (Kapazität), können „hohe“ Stromstärken liefern und sind dabei ziemlich auslaufsicher. Allerdings sind sie durch Ihre Bauart wenig für flache Uhren oder Damenuhren geeignet.
So jetzt habe ich ein bisschen über die verschiedenen Batterietypen erzählt. Um unsere Kunden einen schnellen und zuverlässigen Batteriewechsel bieten zu können halten wir übrigens cirka 50 verschiedene Batterietypen auf Lager.
Ich habe also jetzt die „Neue“ vor mir liegen und graviere das Datum in die Energiezelle. Die Batterie wird vorsichtig in das Batteriefach gelegt und der Haltebügel wieder eingehängt. Bei Multifunktionsuhren (wie hier bei dieser Casio) suche ich noch nach den 2 Kontakten die mit „AC“ gekennzeichnet sind und überbrücke diese mit einer Metallpinzette. Dies ist vergleichbar mit einem „Reset“ beim Computer.
Ein erster Blick auf das Display zeigt mir, dass das Modul ordnungsgemäß arbeitet.
Der Dichtungsring wird mit Silikon eingefettet, die Batterie sitzt im Werk, jetzt muss das Gehäuse vorbereitet werden.
Den Gehäuseboden habe ich schon innen und außen sauber gemacht. Da der Dichtungsring nicht überdehnt oder spröde ist braucht er nicht ausgewechselt werden. Auf alle Fälle wird er mit einem speziellen Silikon-Fett eingeschmiert.
Nachdem der Gehäuseboden aufgeschraubt ist, überprüfe ich, ob die Uhr dicht ist. Das Gehäuse wird dazu in ein spezielles Gerät auf ein Tischchen gelegt (Abb. Titelbild). Von oben tastet ein Fühler die Dicke des Gehäuses auf den 1/1000 mm genau ab. Nun wird eine Glasglocke über die ganze Vorrichtung gestellt und die Luft abgepumpt. Es entsteht ein Unterdruck in der Glasglocke. Ist die Uhr dicht, wölbt sich der Gehäuseboden und das Uhrglas durch den höheren Druck in der Uhr nach außen.
Ich werde hier nicht weiter auf dieses Verfahren eingehen, denn ich will ja über den Batteriewechsel berichten. Diese Methode ist sehr schnell, bei sorgfältiger Anwendung auch relativ sicher, aber auf keinen Fall für professionelle Taucheruhren geeignet, dafür haben wir andere Geräte!
Die Uhr ist fast fertig. Der Kunde wartet schon.
Das Uhrband wird wieder angeschraubt und die Uhr sekundengenau nach einer Funkuhr eingestellt.
Haben Sie mitgezählt, wie viele Handgriffe nötig waren? Dies sollte eigentlich keine Gebrauchsanweisung für „do it yourself“ Menschen sein, zumindest nicht bei wertvollen Uhren.
Ein paar Dinge sind mir noch während dieser Arbeit eingefallen, die oft zu Fragen führen:
Anhand einer „Union“ Taschenuhr, die vor kurzem auf meinen Werktisch kam, will ich dieses Mal beschreiben, was alles bei einer Revision oder Überholung eines Uhrwerkes geschieht. Es soll ja immer noch Zeitgenossen geben, die meinen eine Uhr würde mit Druckluft ausgeblasen und dann funktioniere wieder alles.
Zuerst eine kurze Beschreibung der Taschenuhr:
Es handelt sich um eine goldene “ Savonette“ Taschenuhr, also eine Uhr mit Sprungdeckel. Im Gehäuse befindet sich ein hochwertiges Uhrwerk. Die bimetallische Unruhe ist aufgeschnitten. Bei Erwärmung bewegen sich die freien Enden etwas nach innen. Dadurch wird der Nachgang kompensiert, der sich sonst durch das Ausdehnen des Unruhreifes und das “ Weicher werden“ der Spirale ergäbe. Die Unruhe ist mit einer „aufgebogenen“ Spirale ausgestattet. Der äußere Umgang liegt nicht in der gleichen Ebene der anderen Spiralwindungen und besitzt eine besondere Endkurve. Die aufgebogenen Spiralen, auch nach dem Erfinder „Breguet Spirale“ genannt, tragen zu einem gleichmäßigeren Gangergebnis (Isochronismus) bei unterschiedlichen Schwingungsweiten (Amplituden) der Unruhe bei. Ferner besitzt der Gangregler eine Feinregulierung. Der Glashütter Ankergang dieses Uhrwerks ist dem Schweizer Ankergang sehr ähnlich, wurde aber in einigen Details verbessert.
Das Zerlegen der Uhr:
Um das Uhrwerk zu reinigen, muss es natürlich zerlegt werden. Nach dem Ausschalen des Uhrwerkes, also dem Ausbauen aus dem Gehäuse wird die Aufzugwelle mit Krone wieder eingesetzt. Dann werden Zeiger und Zifferblatt abgenommen, um sie nicht zu beschädigen. Jetzt kann das Werk, mit der Zifferblattseite nach unten, auf einen Setzring gelegt werden.
Der nächste Schritt ist das Abspannen der Zugfeder, damit kein Unheil entsteht wenn später die Platinenschrauben gelöst und die Räderwerkbrücken abgenommen werden. Ideal wären für diese Arbeit drei Hände, denn eine müsste das Uhrwerk halten, während die andere mit einer Pinzette den Sperrkegel zur Seite drückt und die dritte lässt dann die Aufzugkrone langsam zwischen den Fingern drehen, bis die Feder gänzlich kraftlos ist.
Danach kann das Uhrwerk zerlegt werden. Begonnen wird mit den empfindlichen Teilen, also der Hemmung. Die Zapfen, Radzähne und Triebe werden mit der Lupe betrachtet ob sie tadellos sind. Vor allem Radzapfen laufen gerne ein, wenn die Uhr noch lange mit trockenem Öl in Betrieb gehalten werden. Trockenes Öl und mikroskopisch feiner Metallabrieb verwandeln ein Schmiermittel in ein Schleifmittel. Die Abnützung schreitet immer schneller voran. Ist der Zapfen nur ein bisschen rau, kann er bei der Reparatur leicht nachgeschliffen und poliert werden. Schlimm ist es, wenn ein Lagerzapfen so weit abgelaufen ist, dass er fast abbricht.
(Dies geschieht oft bei Uhren, die erst dann zur Revision gebracht werden wenn sie absolut nicht mehr laufen.)
Räder und Triebe waren bei dieser Uhr in gutem Zustand, so dass hier nichts weiter unternommen werden musste.
Die Feder:
Als allerdings die Zugfeder aus Ihrem Gehäuse (Federhaus) genommen wird, macht sie einen sehr müden Eindruck. Gemeint ist natürlich damit, dass sie keine rechte Kraft mehr liefern kann. Eng zusammengewunden liegt sie auf dem Werktisch, fast schon so wie im „aufgezogenen“ Zustand. Daneben habe ich eine neue Feder gleicher Länge, Stärke und Dicke gelegt, um den Unterschied anschaulich zu machen. Moderne Zugfedern besitzen im spannungsfreien Zustand sogar eine „S“ Form. Das Ende der Feder windet sich gegensätzlich zum Federkern. Diese Form gewährleistet einen kontinuierlicheren Kraftverlauf der Feder, was bedeutet, dass der Drehmoment-Unterschied zwischen „leicht aufgezogen“ und „ganz aufgezogen“ nicht so groß ist. Diese besondere Form der Kurve ist nur mit modernen Legierungen (Nivaflex) zu realisieren. Auf jeden Fall muss die alte Zugfeder ausgewechselt werden, sie liefert nicht mehr genügend Energie!
Die Einzelteile:
Vor uns liegt die zerlegte Uhr. Im linken Schälchen das Zifferblatt, die Grundplatine, die Räderwerkbrücke und die Lünette mit dem dünnen Mineralglas. Im rechten Schälchen (im Uhrzeigersinn) die Aufzugkrone mit Teilen der Zeigerstellung, die Räder mit Anker und zugehörigen Klobenschrauben, Teile vom Gesperr, der Unruhekloben mit abgeschraubten Deckplättchen und Unruhe, das Federhaus mit Federkern und Malteserkreuz-Stellung und in der Mitte liegen die Zeiger mit Stunden- und Wechselrad, Werkhalteschrauben und Zifferblattschrauben.
Die Reinigung:
Um das Uhrwerk vom verharzten Öl, aber auch von Staub und Schmutz zu befreien, muss es jetzt gereinigt werden. Dazu kommen die Einzelteile in ein Draht-Körbchen mit mehreren Fächern. Die Unruhe wird ganz alleine in eine Abteilung gelegt, damit die Spirale und die feinen Zapfen ja keinen Schaden nehmen kann. Wussten Sie, dass Unruhzapfen dünner als ein menschliches Haar sein können? Jetzt wird das Draht-Körbchen in eine Maschine gehängt, die den Behälter in der wasserfreien Reinigungslösung bewegt. Nach der Reinigung kommen die Uhr-Teile in eine leicht verdunstende Spüllösung, um das Reinigungsmittel wieder abzuspülen.
Die Malteserkreuz- Stellung:
Jetzt kann das Uhrwerk wieder zusammengesetzt werden. Zuerst das Räderwerk. In das Federhaus kommt die neue Zugfeder. Nachdem die Feder im „Haus“ ist, wird der Federhausdeckel vorsichtig aufgedrückt, bis er einrastet. Die Durchführungen des Federkernes durch das Federhaus werden sofort geölt, da später diese Stellen nicht mehr zugänglich sind. Auf dem Federhaus befindet sich eine sogenannte Maltesterkreuz Stellung. Sie dient einerseits dazu, dass die Feder nicht ganz aufgezogen werden kann. Andererseits kann sich die Feder auch nicht ganz entspannen. Mit Hilfe des Malteserkreuzes wird der ungünstigste Teil der Federkraft, nämlich der stärkste (wenn die Feder ganz aufgezogen ist) und der schwächste (wenn die Feder fast abgelaufen ist), ausgeschaltet. Durch diese Vorrichtung wird die Gangleistung des Uhrwerkes genauer!
Nach dem Montieren der Malteserkreuz-Stellung wird die Räderwerk-Brücke über die Räder gelegt und die Zapfen der Räder vorsichtig in die Lager geführt. Ein kurzes Anstoßen des Federhauses zeigt an, dass sich keines der Zahnräder irgendwo verhängt hat. Erst jetzt wird die Brücke fest aufgedrückt und mit den dazugehörigen Schrauben befestigt.
Die Kontrolle:
Jetzt wird noch mal das Räderwerk geprüft. Wenn man ganz leicht das Federhaus mit der Pinzette anstößt, muss sich das Ankerrad flott drehen. Die Lager der Räder und des Federhauses werden jetzt geölt. Als nächstes kommen das Sperrrad und die Räder und Hebel für die Zeigerstellung an ihren Platz.
Bei dieser Uhr werden die Zeiger noch nicht durch das Ziehen der Krone verstellt. Es muss ein kleiner Hebel (hier unter dem Sprungdeckel) in der Nähe der „1“ gezogen werden. Dann können, durch einfaches Drehen der Krone, die Zeiger verstellt werden. Eine Besonderheit hat diese Taschenuhr aufzuweisen. Beim Schließen des Sprungdeckels wird dieser Zeigerstellhebel automatisch wieder in seine Ruheposition gedrückt.
Da nun Aufzug und Zeigerstellmechanismus montiert sind, wird das Federhaus ganz leicht, maximal eine Umdrehung aufgezogen. Der Anker, der das Räderwerk normalerweise am freien Ablauf hindert, ist ja noch immer nicht eingebaut. Das Ankerrad muss gleichmäßig ablaufen und langsam auslaufen, es darf nicht abrupt stehen bleiben.
Die Hemmung:
Als Erstes bekommen die Hebeflächen der Ankerpaletten einen kleinen Tropfen Gangöl, das ist das feinste und dünnflüssigste Öl mit der geringsten Viskosität. Nachdem der Anker vorsichtig in Position gebracht wurde und mit dem Anker-Kloben fixiert ist, wird das Räderwerk wieder leicht aufgezogen und der Anker mit der Pinzette hin und her bewegt. Damit wird gewährleistet, dass sich das Gangöl gleichmäßig an den Reibeflächen des Ankerrades verteilt und nicht anderswo abläuft. Außerdem wird dabei auch geprüft, ob der Anker richtig mit dem Ankerrad zusammenarbeitet. Es könnte sich ja eine Ankerplatte verschoben haben, oder der Anker durch Stoß oder frühere Pfuscherei verbogen sein.
Nun kommt das Herz der Uhr an die Reihe: Die Unruhe. Vorsichtig werden ihre Zapfen in Holundermark gedrückt, damit sie metallisch blank sind. Dann kommt wieder ein kleiner Tropfen Gangöl auf die Decksteine der Unruhe, die anschließend auf die Grundplatine und auf dem Unruhkloben verschraubt werden. (Zum Reinigen wurden sie abgenommen, sonst würden die Lager nicht so sauber werden. Außerdem könnte es sein, dass die Reinigungslösung nicht wieder vollständig ausgespült wird). Dann wird die Unruhe mit Ihrer Spirale auf dem Kloben festgestiftet und samt Kloben eingebaut.
Jetzt wird das Uhrwerk einer weiteren Prüfung unterzogen. Das Herz (die Unruhe) ist eingebaut und somit kann das Uhrwerk und der Gang der Uhr schon einmal gründlich geprüft werden. Nach dem Aufsetzen des Zifferblattes und der Zeiger wird das Uhrwerk eingeschalt, das heißt ins Gehäuse eingebaut.
Ein paar Tage wird die Uhr noch beobachtet, um ganz sicher zu gehen, dass alles in Ordnung ist und dann darf die Taschenuhr wieder zurück zum Eigentümer und wird ihn wieder viele Jahre mit einem munteren Ticken und genauer Zeitangabe erfreuen.
Irgendwie muss doch jeder Uhrmacher den Wunsch haben, eine Uhr selbst zu bauen. Mir ging es jedenfalls so und meine Mitarbeiter waren ebenfalls sofort begeistert.
Aber von der Idee bis zur Verwirklichung war noch ein langer Weg. Natürlich sollte es keine „normale“ Uhr werden welche nur die Zeit anzeigt. Es folgten Monate des Nachdenkens und Überlegens. Mit der Zeit kristallisierte sich heraus, dass wir uns mit einem Regulatorwerk am besten verwirklichen konnten.
Darauf hin beschäftigten wir uns intensiv mit dem notwendigen Material und Werkzeug für den Bau des Uhrwerkes. Wir beschlossen, den Großuhr-Eingriffszirkel und die unentbehrliche Teilerscheibe selbst anzufertigen. Damit konnten wir gleich die ersten Erfahrungen sammeln und zudem Geld sparen.
In Garmisch-Partenkirchen besuchte ich einmal ein Seminar über antike Uhren. Seitdem fasziniert mich die Technik eines „Ewigen Kalenders*“ .
Den Kalendermechanismus steuern Räder und Formscheiben. Eine davon braucht ganze 4 Jahre, um sich einmal um ihre eigene Achse zu drehen. Diese Formscheiben programmieren sozusagen den Kalendermechanismus und sorgen dafür, dass der Kalenderzeiger auch bei kürzeren Monaten das Datum richtig anzeigt.
Ich nahm also ein Blatt Papier zur Hand und fing an zu planen. Es blieb natürlich nicht bei einem Blatt, aber ich fand Lösungen.
Die nächste Aufgabe war die Sonnenzeit. Da die Erde nicht auf einer Kreisbahn um die Sonne zieht und sie sich dabei auch noch unterschiedlich schnell bewegt, stimmt die wahre Sonnenzeit nicht immer mit unserer Zeitangabe überein.
Ich wollte, dass auf einem kleinen Hilfs-Zifferblatt die aktuelle Sonnenzeit in Stunden und Minuten angezeigt werden. Die Zeitangabe des „Sonnen-Zifferblattes“ muss während einer bestimmten Zeit des Jahres hinter der Normalzeit zurückbleiben, um später wieder aufzuholen, ja sogar zu überholen. Der Unterschied zwischen Normalzeit und Sonnenzeit kann bis zu 16 Minuten ausmachen. Nur viermal im Jahr stimmen Sonnenzeit und Mittlere Zeit genau überein. Um die Anzeige der Sonnenzeit mechanisch bewerkstelligen zu können wurde ein Differentialgetriebe konstruiert welches mittels einer Formscheibe (auch Nierenscheibe genannt) gesteuert wird.
Sehr viel mehr Zeit als zuerst vermutet nahm das Zifferblatt in Anspruch. Die Graviermaschine wurde eigens umgebaut, um das 25 x 25 cm große Zifferblatt aufzunehmen. Auch das Fräsen der 2 mm breiten Zahlen war sehr aufwändig. Es musste mit einer bestimmten Geschwindigkeit und in mehreren Stufen gefräst werden. Abschließend erhielt das ganze Blatt einen sauberen Längsschliff, der Ziffernring einen Rundschliff. Die vier kleinen Zifferblätter sind aufgesetzt.
Die kleinen Hilfszifferblätter zeigen folgendes an:
Kleines Zifferblatt oben:
Anzeige der Sekunden
Anzeige des Wochetages
Kleines Zifferblatt links:
Anzeige der wahren Sonnenzeit
Äquation = Zeitgleichung
Kleines Zifferblatt rechts:
Anzeige des Datums (Ewiger Kalender*)
Anzeige der Mondphase
Kleines Zifferblatt unten:
Anzeige des Monats
Anzeige des Tierkreises
Anzeige des Schaltjahres
Für den Himmel auf dem Mondphasenzifferblatt verwendeten wir blauen Tauchlack für Glühlampen. Dies ergab eine sehr schöne und tief wirkende Färbung. In den Himmel setzten wir noch unser charakteristisches Sternbild des Großen Wagens. Für das „Mondgesicht“ musste mein Gesicht herhalten, welches auf fotografischem Weg in zwei kleine Messingscheiben geätzt wurde. Auch die Platinen des Uhrwerkes wurden durch Ätzen verschönert.
Eine kleine Raffinesse fiel mir auch bei der Konstruktion des Kompensationspendels ein.
Ein Kompensationspendel ist ein Uhrpendel, welcher bei Temperaturschwankungen seine eigene Wärme-Ausdehnung kompensiert und damit ein wesentlich präziseres Gangergebnis erzeugt. Um mit weniger Stäben als üblich auszukommen, nahm ich das Hebelgesetz zu Hilfe. So wurde die sonst übliche Zahl der Kompensations- Stäbe verringert und zudem konnten ganz normale Messing- und Stahllegierungen verwendet werden. Natürlich müssen die Längen der Stäbe genau aufeinander abgestimmt und berechnet sein.
Für die Pendellinse trieb ich aus Messingblech 2 Halbschalen. Diese wurden anschließend miteinander verlötet und mit Blei gefüllt, bis die Linse alleine 1 Kilogramm wog.
Die Funktionsweise der Kompensation
Für das Gehäuse wählten wir die Form einer Wiener Laterndluhr. Um das Sekundenpendel aufzunehmen, musste das Gehäuse 1,50 m lang werden. Durch die zierliche Bauweise, das helle Eichenholz und viel Glas wirkt es aber nicht plump, sondern filigran und leicht. Das Zifferblatt informiert den Betrachter über die genaue Uhrzeit mit Sekundenanzeige, das Datum mit Wochentag, Monat, Sternzeichen und Schaltjahr, Mondphase und Sonnenzeit.
Bis zur Fertigstellung waren vier Jahre vergangen, in denen viele Stunden und Freizeit geopfert wurden. Aber wir haben uns dadurch bewiesen, dass wir richtige Uhrmacher sind und eine Uhr vollständig selbst bauen können. Alle 448 Räder, Hebel und anderen Teile wurden in der eigenen Werkstatt präzise berechnet und hergestellt. Dazu waren 1200 Stunden Arbeit nötig. Die Triebe wurden aus Spezial-Stahl gefräst und selbstverständlich gehärtet, die Schrauben wurden gebläut. Auch die Zeiger, welche wir selbst aus Stahlblech geschnitten haben, erhielten eine tiefblaue Anlassfarbe. Die Gewichte fertigten wir aus Messingrohr das mit Blei gefüllt wurde. Den Deckel und den Boden der Gewichte bilden aus massiven Messingblöcken gedrehte Kappen. Sogar die Seilrolle und die Gewichtshaken wurden handgearbeitet.
Im Juni 1986 war das Werk vollendet und wurde der Öffentlichkeit vorgestellt. Ein paar Jahre lang wurde der selbstgebaute Regulator im Verkaufsraum ausgestellt und von vielen Kunden und Besuchern bewundert. Im August 1987 erschien ein ausführlicher Artikel in “Alte Uhren” (heute “Klassik Uhren”) mit einer Beschreibung der Funktionsweise.
Nochmals kurz die Daten:
Die Uhr besteht aus 448 Einzelteilen,
die in 34 Funktionseinheiten zusammengefasst sind.
Dazu waren 197 Zeichnungen und Skizzen nötig.
Von der Idee bis zur Verwirklichung vergingen
3½ Jahre, die Bauzeit selber betrug 26 Monate,
die Arbeitszeit 1200 Stunden.
Einige Werkzeuge für die Herstellung der Uhr mußten
speziell angefertigt werden.
* Ewiger Kalender:
Das heißt der Kalender berücksichtigt mit Hilfe von einem komplizierten Mechanismus die unterschiedlichen Monatslängen bis hin zu den Schaltjahren. Bekanntlich hat ja der Februar alle 4 Jahre 29, ansonsten 28 Tage. Unser Ewiger Kalender berücksichtigt auch diese Schaltjahre und muss erstmals am 28. Februar 2100 um einen Tag korrigiert werden.
Dazu muss man wissen, dass alle 100 Jahre das Schaltjahr ausfällt, alle 400 Jahre aber doch wieder nicht!
Zu kompliziert? Also die Jahre 1700, 1800 und 1900 waren keine Schaltjahre, obwohl sich deren Jahreszahl durch 4 teilen ließ. Die Jahre 1600 und das Jahr 2000 sind dagegen ganz normale Schaltjahre!
Genaugenommen ist also ein „Ewiger Kalender“ nicht ewig, sondern ein „Hundertjähriger Kalender“ aber es dauert eine kleine Ewigkeit, bis er einmal um nur einen Tag korrigiert werden muss.
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