Fragen:
Grundsätzlich habe ich keine Probleme dieses Uhrwerk wieder herzurichten. Ich habe bereits 2 Turmuhrwerke instand gesetzt und mit einem elektrischen Aufzug versehen. In dieses Uhrwerk will ich allerdings keinen elektrischen Aufzug einbauen.
Bei dieser Arbeit möchte ich aber gerne den Rat von Turmuhren-Spezialisten zu einigen speziellen Fragen hören. Vielleicht ergibt sich ja daraus eine interessante Diskussion.
1. Zumindest von den bayerischen Turmuhren-Fabriken weiß ich, dass jede ihre Uhrwerke in einer ganz bestimmten Farbe gestrichen hat. Hat jemand Daten über die Turmuhrenfabrik Gschürtz (oder Kurzmann) und weiß jemand ob die original Farbe auch Grün (für den Rahmen) und Grau (für die Räder) war?
2. Der Pendel ist über dem Aufzugs-Vierkant „gespalten“. Dieses Teilstück ist mit Eisenblech vorne und hinten verstärkt. Kann dies ursprünglich schon so gewesen sein, oder wurde die nur gemacht, da die Pendelstange in diesem Bereich gebrochen ist?
3. Ist es ursprünglich, dass die Pendelstange gestrichen ist? Bei meinen anderen beiden Turmuhren ist die Pendelstange nicht gestrichen. Wenn ich die Pendelstange abbeize, fallen natürlich die Eisen-Bewehrungen wieder stark auf!
4. Ich möchte die Kettenräder von den Trommelrädern wieder entfernen. Würden Sie dies auch tun.
5. Die Wellen der Räder sind schwarz gestrichen! Kann das sein, dass sie von Anfang an gestrichen waren?
6. Die Radkränze sind bis zu den Radspitzen gestrichen. Soll ich das wieder so machen, oder nur bis knapp unter den Zahngrund gehen?
7. Der Windflügel ist an den Enden rechtwinkelig abgenickt und zusätzlich Platten aufgenietet. Ich möchte den Windflügel eigentlich wieder gerade machen und die angenieteten Bleche entfernen. Ich glaube an der Wirkung ändert sich dadurch wenig.
8. Natürlich wäre ich an allen Informationen zu den Turmuhrenfabriken Gschürtz oder Kurzmann interessiert.
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Antwort: Von einem Fachmann (Chris), der anonym bleiben will, weil er viel Arbeit hat, habe ich Hinweise erhalten. Ich darf diese Erkenntnisse aber hier veröffentlichen:
Zu 1
Es ist doch keine Hörz (wie ich zuerst vermutete), trotz des sehr ähnlichen Pendels, trotz des Aufbaus auf Konsolen im Uhrenkasten, trotz der weiß gestrichenen Innnseite. Das Pendel könnte bei Hörz zugekauft worden sein oder später im Rahmen einer Reparatur angebracht sein. KEIN Hörz Katalog zeigt eine solche Uhr mit nach innen geschwungenen Rahmenseiten und „Omega“ähnlichem Hemmungsträger – und wir haben beide bei Hörz nie eine Anker Hemmung mit seitlichen Stiften gesehen.
Wahrscheinlich auch keine Kurzmann, diesen Hersteller kennen wir beide nicht. Es ist allerdings nicht auszuschließen, das es eine Einzelanfertigung eines Herrn Kurzmann war – eher jedoch war dies jemand, der sich im Uhrenkasten „verewigte“, der Messner, Küster, Uhrenmonteur – wie auch immer.
Ebenfalls unbekannt ist uns Gschürtz – aber -siehe oben- das kann sich ebenso verhalten.
Mein DGC Kollege nimmt an, das es eine tschechische Uhr ist – vielleicht können Sie das über Ihre Quelle/Verkäufer noch herausfinden ?
In einem Punkt können wir aber eine Aussage machen: Die Uhr ist irgendwann mal durch die Werkstatt der Turmuhrenfirma SAAM in Thüringen gelaufen, denn die haben bei Restaurationen den Rahmen grün, die Räder und Hebel grau und und die Wellen schwarz gestrichen. So ist wenigstens die Orginalität mit „ja, aber “ geklärt.
Zu 2
Die Verstärkung kann schon vorher in Bewußtsein des Belastungsbereiches angebracht worden sein – nach Beschädigung dort war es spätestens dann logisch.
Zu 3
siehe 1: könnte bei SAAM gemacht worden sein.
Zu 4
Wenn es eine frühe, als elektrifiziert konzipierte Uhr ist (dazu müßte man dann Vergleichsuhren des gleichen Herstellers oder sogar eine Fabrikationsliste haben), dann sollten die Kettenräder als Zeugnis der technischen Entwicklung dran bleiben – wenn es eine nachträgliche Elektrifizierung war (sagen wir 1930 und später) dann können Sie das entfernen, um dem Orginal wieder näher zu kommen. Würden wir auch.
Zu 5
siehe 1
Zu 6
wenn sie die richtige Farbe ermittelt haben – so orginal wie möglich restaurieren
Zu 7
Die Knicke können Installationsort bedingt sein; überstrichener Durchmesser baulich eingeschränkt – Uhrenkastenbreite ?!…(oder sind es Beschädigungen ?). Kontrollieren Sie bitte, ob die Nieten und Zusatzbleche aus der gleichen Zeit stammen, wie das Blech. Wenn nicht, kann es natürlich weg, denn Schwung braucht man hier ja nicht ( im Gegenteil : )
Das bringt mich auf die Idee: Ist vielleicht der Kasten von Hörz ?! Das würde einiges erklären.
Denn ein Hersteller würde doch seine Uhr mit bekanntem Windfang Radius nicht in einen zu kleinen Uhrenkasten stellen !
Zu 8
siehe 1
und: was ist mit dem Schild am Uhrenkasten ? was steht drauf ? Ist das die Firma, die zuletzt den Service gemacht hat ? Gibt es diese noch ? Kann man herauskriegen, ob diese Servicefirma für einen bestimmten Hersteller gearbeitet hat – oder nach dessen Ende den Kundenkreis übernahm ?
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Soweit die interessanten Erkenntnisse dieses Turmuhren-Freundes. Hier noch kurz meine Anmerkungen dazu
zu 4:
Die Uhr wurde nicht elektrifiziert, sondern nur der Aufzug auf die andere Seite des Uhrwerks verlegt. Ich habe diesen Umbau in der Zwischenzeit noch einmal aufgebaut und fotografiert, jetzt sieht man es gut.
zu 7:
Ich kann keinen Grund erkennen, warum die Knicke in den Windflügel gemacht wurden. So wie ich die Uhr vorfand, würde der Orginal-Windflügel weder am Uhrwerk (auch nicht am Umbau) noch am Uhrenkasten streifen. Ob dass angenietete Blech alt ist, kann ich jetzt noch nicht feststellen, da es kräftig gestrichen wurde. Ich denke da ist irgendein Reparateur über sein Ziel hinausgeschossen.
zu 8:
Das Schild am Uhrenkasten lautet auf „Gschürtz“, an der Uhr selber auf „Kurzmann“. Beide mit der selben Adresse in Wien.
Genaueres über den Hersteller dieses Turmuhrwerkes habe ich nicht herausfinden können.
Auf dem Uhrenkasten ist ein Schild angebracht, auf welchem steht:
Thurmuhren Fabrik Rudolf Gschürtz, Wien VII, Schottenfeldgasse 56
Ich nehme an, dass dieses Schild das ältere ist, wegen der Schreibweise Thurmuhrenf…
Auf dem Werkgestell selber steht:
J & H Kurzmann, Wien VII …. (mit genau der selben Adresse) Turm- und elektrische Uhren. Dieses muß wohl ein Nachfolger gewesen sein, wegen der modernen Schreibweise „Turm.
Ein österreichischer Uhrmacher & Turmuhrenspezialist konnte herausfinden, dass es einen „Kurzmann Josef“ in Wien auf besagter Adresse gegeben, dieser hat 1957 die Meisterprüfung abgelegt, 1958 das Gewerbe angemeldet und 1971 abgemeldet.
Auf dem Metallschild von Kurzmann sind noch 2 Jahreszahlen eingestanzt, 1903 und 1959. Warum aber die Jahreszahl 1903 auf dem Schild des Nachfolgers eingeprägt wurde ist mir ein Rätsel.
Das Wiener Uhrenmuseum berichtete mir, dass in Unterlagen und Archiven des Wiener Uhrenmuseums unter „Gschürtz Rudolf“ nur die Anmerkung herauszufinden war, dass sich in einer Wiener Kirche ein datiertes (1896) und signiertes Turmuhrwerk befand.
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